Wie kann man mit Kindern über ihre innere Situation angesichts von Krieg und Kriegsfolgen ins Gespräch kommen, wenn sie eher nicht oder kaum darüber reden? Das war meine Ausgangsfrage. Manchmal hilft ja ein Buch, um ins Gespräch zu kommen. Aber wo sitzen die Gedanken dieser Kinder gerade jetzt? Was beschäftigt sie wirklich? Auf der Suche nach einem Buch, was genug Raum lässt für das eigene Nachdenken, was eher leise eigene Fragen anrührt und lockt, habe ich ein Buch gefunden.
Ein italienisches Haus erzählt seine Geschichte über die Jahrhunderte seines Daseins, seines Verfalls, zerstört Werdens, immer wieder aufgebaut Werdens. So könnte man die Geschichte zusammenfassen. Aber das Eigentliche sind die Bilder, die die Menschen, die dieses Buch miteinander ansehen ins Erzählen bringen. Große Bilder und kleine Vignetten zeigen das Haus in einem immer neuen Kontext: Jahreszeiten, Zeitenwenden, Familiengeschichten und Familienprozesse, Weltgeschichte, wie sie sich zuhause zeigt: jemand wird verabschiedet, und das bedeutet möglicherweise: der Krieg bricht aus, jemand bekommt einen Brief mit einer traurigen Nachricht, Flüchtlinge kommen und das Haus und sein Garten bergen sie, das Kriegsende wird verkündet, jemand wird geboren, jemand wird begraben, Kinder gehen zur Schule oder spielen, jemand fährt weg, Urlauber kommen an…Die Geschichte des 20.Jh. lässt sich in diesem Buch unaufdringlich wie beim Ansehen eines Fotoalbums entziffern – allein über die Zeichnung der Orte und die Biografiegeschichten. Kinder entdecken und vergleichen, sie erzählen, was sie sehen, was sie vermuten, was sie sich fragen. Das Haus erzählt aber auch, dass es immer weiter geht. Dass Menschen und Haus immer wieder zusammen kommen, selbst wenn es Jahre dauert. Dass es immer wieder neue Ressourcen geben wird. Der Text: er ist eigentlich kaum nötig. Kinder erzählen ihn ja selber. Ich lese kaum einmal mehr als den Text der ersten Seite vor.
Das Geschenk dieses Buches besteht darin, Menschen aller Alter von ca. 4 Jahren an zum Erzählen zu bringen über alles, was sie beschäftigt über Werden und Vergehen, Krieg und Frieden und andere existentielle Themen. Es braucht nur noch BegleiterInnen, die wirklich zuhören wollen und daneben mit ihren eigenen existentiellen Themen ins Gespräch kommen wollen.
Ich empfehle, dass Erwachsene sich das Buch mit seinen Erzählbildern zunächst einmal allein „durchbuchstabieren“, Kleidung der Personen und Geschichtswissen verknüpfen und so die Zeichen der Zeiten entschlüsseln und wirken lassen. Danach haben die Kinder das Wort.
Dieses Buch ist aktuell antiquarisch erhältlich.